Einleitung: Eine Geschichte von zwei Märkten
Obwohl die Schweiz und das Vereinigte Königreich auf eine lange Tradition in der Vermögensverwaltung zurückblicken können, haben sich ihre Wege in den letzten zehn Jahren deutlich auseinanderentwickelt. Regulierungsreformen, Marktkonsolidierung und das Tempo der digitalen Transformation haben zu zwei grundlegend unterschiedlichen Branchenmodellen geführt. Während das Vereinigte Königreich nach der RDR entscheidende strukturelle Veränderungen durchläuft, steht die Schweiz vor der Frage: sich weiterentwickeln oder zurückfallen?
1. Die Auswirkungen der britischen Retail Distribution Review (RDR)
Im Jahr 2013 führte die Financial Conduct Authority (FCA) die Retail Distribution Review (RDR) ein, die die Vermögensverwaltung im Vereinigten Königreich grundlegend umgestaltete:
- Die Beratung auf Provisionsbasis wurde verboten
- Von den Beratern wurde eine höhere Qualifikation verlangt
- Vollständige Gebührentransparenz wurde obligatorisch
Ergebnis:
- Massive Konsolidierung von Kleinunternehmen
- Klarere Wertvorstellungen
- Die Kunden sind besser über Kosten und Dienstleistungen informiert
Im Gegensatz dazu agieren die unabhängigen Vermögensverwalter in der Schweiz nach wie vor sehr flexibel, was die Preisgestaltung und die Offenlegung betrifft, so dass die Kunden manchmal im Dunkeln tappen.
2. Schweizer Fragmentierung vs. britische Konsolidierung
Die Schweiz ist nach wie vor einer der am stärksten fragmentierten Vermögensverwaltungsmärkte der Welt. Tausende von EAMs (External Asset Managers) arbeiten mit kleinen AUM-Volumina, wobei viele von ihnen inhabergeführte, beziehungsorientierte Unternehmen sind.
Im Vereinigten Königreich hingegen kam es nach der RDR zu einer Welle von Fusionen und Übernahmen, die zu weniger, aber größeren und anspruchsvolleren Unternehmen führten. Plattformen wie Quilter, St. James's Place und True Potential haben an Größe gewonnen und ihr Angebot standardisiert, ohne dabei die Personalisierung aus den Augen zu verlieren.
Warum das wichtig ist:
- Größere Unternehmen haben eine bessere Technologieakzeptanz
- Die Nachfolgeplanung wird professionalisiert
- Markenbekanntheit verbessert das Vertrauen der Kunden
3. Technologie: Von der Altlast zur Hebelwirkung
Die britischen Unternehmen haben digitale Tools aus der Not heraus eingeführt. Gebührenkompression und Wettbewerb haben sie dazu veranlasst, CRM-Systeme, Portfolio-Plattformen und Kundenportale früher einzuführen. Fintechs wie FNZ, Seccl oder Intelliflo wurden zu Ermöglichern der Skalierung.
Schweizer EAMs, die sich immer noch stark auf manuelle Prozesse und individualisierte Tools verlassen, laufen Gefahr, bei der operativen Effizienz und der Kundenerfahrung ins Hintertreffen zu geraten.
Die Gelegenheit: Schweizer Firmen können bewährte britische Technologien übernehmen und dabei ihre persönliche Note bewahren.
4. Regulierungsdynamik: FINIA vs. RDR
Die Schweiz hat zwar 2020 FINIA und LSFin eingeführt, aber diese Rahmenwerke reichen nicht an eine mit der RDR vergleichbare Transformation heran. Sie legen Mindeststandards fest, lassen aber einen Großteil der Preis- und Dienstleistungsstruktur offen für Interpretationen.
Hauptunterschiede:
- RDR war eine proaktive Reform
- FINIA ist reaktiv und auf die Einhaltung von Vorschriften ausgerichtet
Lektion:
Das Vereinigte Königreich hat die Unternehmen gezwungen, sich weiterzuentwickeln. In der Schweiz warten viele EAMs immer noch auf externen Druck, um zu handeln.
5. Kulturelle Mentalität und Nachfolge
Anekdotisch und statistisch gesehen ist die Nachfolgeplanung im Vereinigten Königreich viel weiter fortgeschritten als in der Schweiz. Dies ist nicht nur auf die Vorschriften zurückzuführen, sondern auch auf die Kultur: Britische Firmen planen für den Ausstieg und das Wachstum, während Schweizer Firmen ihre Identität oft an den Gründer binden.
Auswirkungen:
- Britische Unternehmen ziehen privates Beteiligungskapital und institutionelle Anleger an
- Schweizer Firmen verlieren oft Kunden oder werden ohne Nachfolger aufgelöst
Schlussfolgerung: Lernen ohne zu kopieren
Die Schweiz muss nicht wie das Vereinigte Königreich werden. Ihre Stärke liegt in Diskretion, Tradition und kundenorientierter Betreuung. Aber wenn es um Struktur, Nachfolge, Technologie und Konsolidierung geht, bietet das Vereinigte Königreich einen Leitfaden, den man studieren sollte.
Für die Schweizer EAMs ist der Weg nach vorne klar: eine durchdachte Modernisierung vorzunehmen oder zu riskieren, dass sie auf einem zunehmend standardisierten globalen Markt irrelevant werden.
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